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Franz Maurer Merkwürdig ist das Verhältnis der Wenden zu anderen Slawen, deren Sprache sie zum Teil bei einiger Aufmerksamkeit verstehen können. Der polnische Soldat verachtet den Wenden unverhohlen, und dieser hasst den polnischen Kameraden oft bis zur Gemeinheit, findet auch dessen Sprache widerlich. Bei meiner Kompanie kam es vor, dass einstmals drei polnische Soldaten in ihrer Sprache eine gemeinsame unbedeutende Widersetzlichkeit gegen ihren Korporal verabredeten, ein Wende belauschte das Gespräch und verriet die Leute unaufgefordert noch vor Ausführung des passiven Widerstandes. Auch ein Beitrag zum Panslawismus! Seine nahen Verwandten, die Slowaken oder Serben, welche als Drahtbinder oder sogenannte “Mäusefaller” nach Preußen kommen, sind ihm sehr verächtliche Wesen, wahrscheinlich wegen ihres Vagabundierens, abenteuerlichen Aufzuges und ihrer Bettelarmut. Er jagt sie schimpflich von sich, wenn sie sich erdreisten, ihn, den Serben oder Sorben,¹ in südserbischer Sprache anzureden, wenigstens wenn ein Deutscher zugegen ist. Die Idee, die österreichische Armee bestände größtenteils aus Slowaken, ist bei ihm fest eingewurzelt, und deshalb hat er auch von dieser höchst sonderbare Ansichten. Wer durch das Wendenland reist, dem wird es auffallen, dass die Leute so wenig Notiz von ihm nehmen und nichts von jener unzeitigen Neugier verraten, die beim Berühren deutscher Dörfer und Kleinstädte so lästig ist. Die Männer wenden kaum den Kopf nach dem Fremden hin, die Mädchen und Frauen sehen ihn nur flüchtig und schüchtern an, selbst Kinder gehen an ihm vorüber, ohne etwas von Verwunderung merken zu lassen. Nur bei der Fahrt durch den Spreewald erlebte ich es, dass der eine oder andere Mann beim Vorüberschieben seines Kahnes meinen Kahnführer in wendischer Sprache fragte “Von wo ist er?” (nämlich ich), woraufhin die lakonische Antwort “Berliner” erfolgte. Wenn jedoch ein Soldat, sei es auf Urlaub oder in sonstwelcher Angelegenheit, durch ihr Gebiet kommt, da machen sie es anders, indem sie ihn anrufen: “Freund, wohin willst du?” oder “Bruder, woher kommst du?” und dann fragen sie ihn aus nach diesem oder jenem Kameraden, der auch beim Militär ist, und laden ihn auch wohl ein, einen Schnaps mit ihnen zu trinken. Mir gegenüber waren sie übrigens sehr zutraulich, wahrscheinlich weil ich viele der Ihrigen kannte und mich nach denselben erkundigte, auch wohl weil ich einige Brocken Wendisch sprechen und verstehen konnte. Zudem hielten sie mich wegen meines Bartes für einen alten Mann, und die Weiber, selbst alte Frauen, nannten mich nie anders als “Väterchen”, was mich höchst ergötzte. Der Deutsche, welcher ihre Sprache zu sprechen vermag, ist in ihren Augen nicht mehr ein Fremder oder “Vornehmer”, und zu ihm fassen sie großes Vertrauen. Dies teilten mir deutsche Gutsherrschaften mit, welche im Übrigen sehr schlecht auf ihr wendisches Gesinde zu sprechen waren, was mich weiter nicht wunderte, da ich noch nie eine Gutsherrschaft gefunden habe, die ihr Gesinde lobte, auch wenn dieses so deutsch war wie sie selber. Mit dem Prädikat “Herr” sind die Wenden sehr sparsam und vermeiden es, wo sie nur können. Entengehege stehen halb auf dem Lande und halb im Wasser, wohlgenährtes Vieh weidet an Pflöcke gebunden am Ufer, bunt gekleidete Kinder spielen dazwischen, da und dort sieht man einen einzelnen Mann oder eine Gruppe Mädchen schnell auf den hoch mit Heu beladenen Booten hinter dem grünen Laubwerk und den engen Häuschen hervorschießen und wieder verschwinden. Die einzigen Störenfriede in dieser traulichen Szenerie sind die wachsamen Hündchen, welche bellend dem Boot des Fremden so weit folgen, wie die Wassergrenze des Grundstücks dies zulässt. Mitunter kommt man an eine Brücke, die nicht für Wagen, sondern nur für Vieh und Fußgänger bestimmt ist.² Sie hat nur an einer Seite ein Geländer und man steigt zu ihr auf einem steil liegenden, schmalen Brett mit Trittlatten hinauf, und auf einer gleichen Vorkehrung wieder herunter. Sie ist nur so breit, dass ein einziger beladener Mensch darüber gehen kann, und hängt immer so hoch über dem Wasser, dass die aufgehäuften Heukähne darunter hindurch fahren können. Im Spreewald gibt es keinen Wagentransport – Karren und Kähne sind die einzigen Beförderungsmittel und zugleich die unentbehrlichen; denn in den Kahn muss jeder steigen, sobald er seine Weiden oder auch bloß seinen nächsten Nachbarn besuchen will. Das beständige Kahnschieben strengt die Leute sehr an und mag wohl die Ursache sein, dass man im Spreewald zwar kraftvolle, gedrungene, aber wenig hochgewachsene Männer findet. Wunderbar
und unbeschreiblich schön ist der Eindruck, den man auf einer
Kahnfahrt durch dieses bewaldete, üppige Inselland
empfängt, besonders wenn man
sich dabei erinnert, dass die dunklen Gewässer der von den
Wenden Recka
genannten Spree³ und der geheimnisvoll beschattete Boden
einstmals der
Schauplatz eines blutigen Rassenkampfes waren und für den
Deutschen noch jetzt
eine fremde Welt, ein Ausland in der Heimat bilden.
Ende
¹ -
Die Wenden nennen sich in ihrer eigenen Sprache Serbski oder Sorbski,
auch wohl Sjerski.
² - Diese Holzbrücken werden im Spreewald als "Bank" bezeichnet. ³ - Vermutlich meint Maurer schlicht "rěka" - also Fluss. |